Der Platz Saint-Médard im Zentrum von Paris ist an diesem Sonntagmorgen noch ruhig. Ein Gemüsestand wird gerade aufgebaut, vor der kleinen Kirche machen Besucher des Gottesdienstes einige Selfies. Ein schöner Platz in einem der ältesten Stadtviertel der Metropole.
Christian ist auch dort und macht einen letzten Soundcheck mit seinem Akkordeon. Seit 40 Jahren spielt er jeden Sonntag klassische französische Chansons und Menschen aus dem Viertel hören zu, tanzen, reden und lachen. Kein Touristenspektakel; hier gehört Paris noch seinen Bewohnern.
Ich begleite die bekannte Fotografin Bettina Flitner an diesem Tag bei ihrem Streifzug durch die Stadt an der Seine, möchte herausfinden, warum sie die Fujifilm X100F als ihre Immer-Dabei-Kamera mitnimmt. Und filme sie auf ihrem Streifzug mit einer Fujifilm X-T3.
Langsam füllt sich der Platz mit Menschen. Da ist Elisabeth mit dem roten Hut und der roten Handtasche, die sie beim Tanzen immer herumschwingt. Eine Choreografin mit orangenen Haaren, ein Rollstuhlfahrer und auch ein Clochard, der mit einem freundlichen Gesicht und einer Weinflasche ausgestattet ist. Ein schrulliger Mikrokosmos. Und Bettina Flitner mittendrin mit der kleinen Fujifilm X100F. Sie bewegt sich mit den Menschen und der Musik, lacht und gibt Küsschen auf Wangen. Singt einige Lieder mit. Und so ganz nebenbei, so scheint es, macht sie Fotos von den Menschen. Starke Fotos, intensiv und nah. Die Kamera ist für sie ein Türöffner, ein Kommunikator mit Fremden. Erst durch sie entstehe ein Kontakt, eine Verbindung. Flitner ist neugierig, sie interessiert sich für die Geschichten der Protagonisten, denen sie begegnet und möchte jene, die ihre Fotos später sehen, auch neugierig machen. Was bewegt Menschen? Der Wunsch, sichtbar zu werden?
Bettina Flitner arbeitet seit 1989 als Fotografin. Voraus ging eine Ausbildung zur Filmemacherin, was ihre fotografische Sicht stark geprägt hat. Ihre Arbeiten haben oft seriellen Charakter und sie kombiniert häufig Bild und Text. Ihre Themen gehen von Porträts über politische Essays bis hin zu Reportagen. Bekannt wurde Bettina Flitner durch ihre Installationen im öffentlichen Raum und ihre provokanten Themen, z.B. ihre Langzeit-Fotoprojekte über Rechtsradikale, über Freier oder Prostituierte. Sie veröffentlichte bisher zehn Fotobände. Ihre fotografische Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet und international ausgestellt. Seit vielen Jahren arbeitet sie mit einem Nikon-System. Dazu kam vor kurzem eine Fujifilm GFX 50S und die kompakte X100F. Wohin die Reise systemtechnisch endgültig geht, ist noch offen.
Wir gehen weiter, lassen uns auf den Zufall der Straße ein. Auf der Rue Mouffetard, welche sich einen Hügel hoch schlängelt, sehen wir einen älteren Mann mit feinen Gesichtszügen, etwas buckelig und gekleidet wie ein Dandy, mit einer Künstlermappe unter dem Arm. Er bleibt vor einem Wandspiegel an der Straße stehen und fährt sich durch das Haar. Ein interessantes Gesicht. Bettina Flitner spricht ihn an. Er ziert sich ein wenig, schaut immer wieder auf mein relativ großes Videoequipment. Die kleine X100F scheint ihm unbedeutend. Dann lässt er sich doch fotografieren. Flitner erklärt mir später, gerade eine kleine Kamera sei für viele weniger bedrohend, als eine große DSLR. Und es sei ihr wichtig, immer den Kontakt mit den Porträtierten zu behalten, dass diese auch ihr Gesicht sehen und kommunizieren können. Kommunikation, ein Wort, das Flitner gerne benutzt. Und auch einsetzt. In beide Richtungen.
Es dämmert und vom Seineufer hören wir Lautsprecherparolen. Eine Gruppe steht dort unten. Manche halten Kerzen in der Hand. Gerade findet eine Demonstration zur Freilassung von Julian Assange statt. Paris wäre wohl nicht Paris, wenn nicht auch noch eine Blaskapelle aufspielen würde. Bettina Flitner ist auch hier in ihrem Element, bewegt sich leichtfüßig durch die Gruppe, schlängelt sich an den Bläsern vorbei und fokussiert auf den charismatischen Dirigenten. Man sieht ihren Fotos die Wachheit, Freundlichkeit und Neugierde an, die Flitner auszeichnet. Und die Unaufdringlichkeit ihrer Kamera.
Für das Video eingesetzte Technik:
- Fujifilm X-T3 (1080 FHD, LOG, 50FPS)
- Fujinon XF23mmF1.4
- Fujinon XF56mmF1.2
- DJI Ronin SC Gimbal
- Smallrig Cage für X-T3
- Zoom F1 Recorder mit Richtmikro
Über David Klammer
David Klammer ist Fotograf und Videograf. Seine Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet (unter anderem mit dem World Press Award). Zuletzt gewann 2019 seine vielfach beachtete Reportage über den Kampf um den Hambacher Forst den 1. Preis für politische Fotografie der „Rückblende“. Klammer fotografiert für zahlreiche Magazine wie Spiegel, Stern und Geo und arbeitet für NGO’s.
David Klammer ist seit 2019 Fujifilm X-Photographer