13.12.2021 Mr Whisper

Nächtliche Streifzüge

Mr Whisper

From a career in advertising to the life of a professional photographer, Mr Whisper has been commissioned for photoshoots that have taken him across the globe. He’s worked for brands like Netflix, BMW, E4, Hypebeast, Adidas and Fujifilm, among others. His images have been featured in newspapers, magazines, blogs and exhibitions worldwide.

    Wenn die Dunkelheit über London hereinbricht, fängt Mr. Whisper die Magie und Anziehungskraft der britischen Hauptstadt ein.

  • Wenn sich die Dunkelheit über die Stadt legt und überall die Lichter aufflackern, dann erwacht London zu neuem Leben. Auf die Hektik des Tages folgt das Knistern der Nacht. In den Pubs und Restaurants schlägt jetzt der Puls der britischen Metropole. Es werden Pints gezogen und Cocktails gemixt, es wird gelacht, getanzt und gefeiert. Im West End und am Piccadilly Circus spiegeln sich die Lichter der Leuchtreklame erwartungsfroh in den Scheiben der Taxis und auf den regennassen Straßen. London ist voller Energie und Dynamik, und mit Einbruch der Dämmerung entsteht ein noch schärferes Bild davon, was diese Stadt zu bieten hat.

    Der Fotograf Bal Bhatla ist mit diesen Eindrücken nur allzu gut vertraut, er ist im Südwesten Englands aufgewachsen, lebt aber seit Jahren an der Themse. Er kennt die mitreißende Vitalität, die von Stadt und ihren Bewohnern ausgeht, und erlebt sie jeden Tag aufs Neue. „Auch wenn es etwas abgedroschen klingt, aber London ist wirklich ein Schmelztiegel der Kulturen. Hier treffen Kreative auf Touristen, hier mischt sich Jetset mit Tradition – und genau dieser Mix macht die Stadt zu einem unglaublich spannenden Ort“, sagt Bal mit einem Lächeln. „Wenn ich abends durch das Zentrum laufe, stoße ich immer auf etwas Neues und Unerwartetes.“

    Seit fast zehn Jahren dokumentiert Bal das Leben in der Metropole mit Stil und Finesse. Seine Bilder veröffentlicht er unter dem Pseudonym „Mr. Whisper“, das er sich aus seinen Zeiten als Graffitikünstler bewahrt hat. Seine Aufnahmen erzählen von der entfesselten Energie, die die Stadt zu später Stunde freisetzt. „Ab einer bestimmten Uhrzeit ist es, als würde die Stadt ihr Make-up auftragen. Die Stimmung ist aufgehellt, es gibt einen extrovertierten Drive. Das hat auch einen Einfluss darauf, wie ich mich der Straßenfotografie nähere. Das Erleben ist intensiver als am Tage.“ Bal hat Grafikdesign an der Londoner Goldsmith University studiert und arbeitete nach seinem Abschluss fast 15 Jahre lang als Designer und Creative Director. Immer auf der Suche nach neuen Trends und Moden bemerkte er 2008, wie sich ein kultureller Wandel anbahnte, der sich zu einer regelrechten Flutwelle entwickelte. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis die sozialen Medien fast explosionsartig die Welt eroberten.

    Anfangs fotografierte Bal mit einem iPhone, und es gelang ihm, einige Auftraggeber aus dem Kreis seiner ehemaligen Kunden zu gewinnen. „Ich habe damals alles mit einem Smartphone fotografiert. So wurde Samsung auf mich aufmerksam, die sich, wie immer mehr Marken, plötzlich für diese Online-Revolution interessierten. Eine Zeit lang betrieb ich gewissermaßen meine eigene Mikroagentur“, erzählt Bal. „Das Smartphone hat die Fotografie für mich jederzeit verfügbar gemacht. Ich musste es nur hochhalten und auslösen. Ich teilte die Fotos über Instagram und erzielte überraschenderweise eine große Resonanz. Ich trainierte meinen Blick jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit und hatte bald einen unstillbaren Drang, alle Fotos hochzuladen.“


  • FUJIFILM X-T3 mit XF35mmF1.4 R bei 1/125 Sek., F1.4, ISO 800


    FUJIFILM X-T3 mit XF33mmF1.4 R LM WR bei 1/200 Sek., F2, ISO 1600

  • FUJIFILM X-T3 mit XF33mmF1.4 R LM WR bei 1/200 Sek., F2, ISO 800


    FUJIFILM X-T3 mit XF35mmF1.4 R, 1/180 Sek., F1.4, ISO 400
  • Als seine Popularität wuchs, wurde Bal von der Modemarke Lacoste mit der Koordination einer Werbekampagne beauftragt. Dabei musste er feststellen, dass die fotografischen Fähigkeiten seines Smartphones begrenzt sind. „Ich musste technisch aufrüsten, denn die Handybilder konnte ich nicht größer als A4 drucken lassen“, erzählt er. „Wie der Zufall es wollte, wurde am selben Tag die FUJIFILM X-T1 präsentiert, und mir ist das großartige Design direkt ins Auge gefallen. Die analogen Einstellräder haben mir den Umstieg von der Handyfotografie erleichtert. Ich bekam sofort ein Gefühl dafür, wie sich unterschiedliche Parameter auf das Bildergebnis auswirken. Inzwischen fotografiere ich mit der FUJIFILM X-T3, die ich eher als künstlerisches denn als technisches Werkzeug betrachte.“

    Mit seinen Aufnahmen dokumentiert Bal die einzigartige Atmosphäre des nächtlichen Londons. Die Lebendigkeit ist nicht zu leugnen – und für Bal liegt dies auch an seiner offenen, flexiblen Herangehensweise an die Fotografie. „Mich interessieren flüchtige Augenblicke. Deshalb benutze ich kein Stativ. Für den Stil, der mich interessiert, wäre es nur hinderlich. Bei Nachtaufnahmen musst du schnell reagieren können und immer bereit sein. Es ist fast so, als hätte man einen Robocop-Helm auf, der alle Elemente in der Umgebung scannt. Diese Art zu fotografieren kann ziemlich fordernd und atemraubend sein, aber es ist die einzige Möglichkeit, um permanent involviert zu sein.“

    Sein Wissen gibt Mr. Whisper in Workshops an andere Fotoenthusiasten weiter. Ihnen verrät er viele seiner besten Tipps und Tricks. Sein wichtigster Ratschlag ist allerdings, regelmäßig zu üben und viel zu experimentieren, denn das sei der Schlüssel zum Erfolg. „Mach dich mit der blauen Stunde vertraut – es ist der perfekte Zeitpunkt für großartige Fotos. Sobald du ein Gefühl für das Licht entwickelt hast, wirst du verstehen, wie du mithilfe der Kameraeinstellungen eine Szene gestalten kannst.“

    Wie bei jedem künstlerischen Bestreben ist aller Anfang schwer. „Aber lass dich nicht entmutigen! Bleibe dran“, rät Bal. „Ich selbst habe mich lange gefragt, warum meine Bilder nicht so geworden sind, wie ich es mir erhofft hatte. Aber letztlich ist genau das Teil des Prozesses. Mit der Zeit habe ich gelernt, wie ich ISO, Verschlusszeit und andere Belichtungsparameter anpassen muss, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Du musst einfach geduldig sein.“

    Die Londoner Tageszeitung Evening Standard schrieb einmal, der Name Mr. Whisper sei ein Synonym für das menschliche Antlitz der Metropole. Und beim Betrachten der Fotos wird man feststellen, dass da viel Wahres dran ist. Bal hat inzwischen fast 75.000 Follower auf Instagram und erklärt sich diesen Erfolg auch damit, dass er immer verschiedene Bildkompositionen ausprobiert, bevor er sich schließlich für eine Variante entscheidet. „Ich persönlich mache viele Testaufnahmen. Manche Leute glauben, bei der Streetfotografie müsse alles ganz schnell und im Vorbeigehen passieren. Aber das ist ein Missverständnis. Ich nutze meine Testbilder als Blaupausen, die ich dann verfeinere.“

  • Mr. Whispers Fotografien entstehen nicht zufällig, sie sind gezielte Interpretationen von realen Situationen. Das Gesehene wird sorgfältig wiedergeben, um die Authentizität des ursprünglichen Moments unverfälscht zu erhalten. Zu diesem Effekt trägt bei, dass Bal sehr hohe ISO-Werte vermeidet, damit seine Aufnahmen näher am tatsächlich Seheindruck sind. „Ich habe eine Regel: Wenn ich mit ISO 1600 nicht das gewünschte Bild erreichen kann, lasse ich es ganz bleiben. Mit irrwitzig hoher ISO-Empfindlichkeit wirken die Aufnahmen schnell künstlich. Sie geben dann eine Szene nicht mehr so wieder, wie ich sie mit meinen Augen gesehen habe.“

    Um seine kreativen Bildideen in bestmöglicher Bildqualität zu realisieren, vertraut Bal auf die Möglichkeiten seiner FUJIFILM Ausrüstung. „Ich scheue nicht davor zurück, die Kamera für mich arbeiten zu lassen. Der Autofokus der X-T3 ist absolut großartig. Damit habe ich fast schon ein schlechtes Gewissen, weil es sich fast so anfühlt, als würde ich unlautere Methoden benutzen. Aber das ist natürlich Nonsens.“ Um die nächtlichen Szenen optimal scharf einzufangen, bevorzugt Bal klassische Festbrennweiten mit hohem Auflösungsvermögen. „Ich besitze fünf FUJINON Objektive, XF16mmF1.4 R WR, XF23mmF1.4 R, XF33mmF1.4 R LM WR, XF35mmF1.4 R und das XF56mmF1.2 R –, habe aber selten mehr als eines davon auf meinen Streifzügen dabei. Zoom-Objektive verwende ich eigentlich nie, da sie mir ungeeignet erscheinen für das, was ich mache.“

    Wie bei der Auswahl seiner Fotoausrüstung legt Bal auch bei der Nachbearbeitung großen Wert auf Natürlichkeit und Einfachheit. „Ich beschränke mich bei der Nachbearbeitung auf Lightroom, um den Bildern den letzten Schliff zu geben. Programme wie Photoshop sind eher für Bildmanipulationen als für die Nachbearbeitung gedacht. Meine Mission in der Straßenfotografie ist einfach: Was du siehst, ist das, was du bekommst. Bei der Nachbearbeitung der Bilder sollte es allein um Stimmung und Tonalität gehen. Wenn das Original nicht gut genug ist, werde ich nicht versuchen, es in der Bearbeitung zu korrigieren – und ich würde niemandem empfehlen, das zu probieren.“

    Die Faszination und Magie Londons hat Mr. Whisper zu einem gefeierten Künstler gemacht, dessen Identität heute fest mit der Metropole verbunden ist. „Als Kind besuchten wir das Stadtzentrum nur, um die Weihnachtslichter zu sehen. Daher hatte dieser Ort etwas Mystisches für mich. Er war immer eine Inspiration, eine sprudelnde Quelle der Kreativität. Als ich dann das Nachtleben hautnah erlebte, ist eine neue Dynamik entstanden. Ich liebe es, all die Momente im Bild festzuhalten. So entsteht ein Porträt des Lebens in dieser Stadt, das von der Lebensfreude nach Einbruch der Dunkelheit erzählt. Es sind diese echten Augenblicke, die die Stadt für mich zum Atmen bringen. Wenn sich die Leute in 20 oder 30 Jahren meine Bilder ansehen, möchte ich, dass sie ein Gefühl dafür bekommen, wie es damals war, in London zu leben.“


  • FUJIFILM X-T3 mit XF35mmF1.4 R bei 1/160 Sek., F1.4, ISO 1600


    FUJIFILM X-T3 mit XF56mmF1.2 R bei 1/160 Sek., F1.2, ISO 1250