12.05.2022

Magische Schwarzweiß-Fotografie

  • Schwarz und Weiß – mehr Farbe braucht ein gutes Foto nicht. Fotograf und Fototrainer Paul Sanders zeigt, wie dir einzigartige und wirkungsvolle Bilder gelingen.

    Die Sonne versinkt langsam im Meer vor der Küste von Pembrokeshire, ganz im Westen von Wales. Paul Sanders bringt seine FUJIFILM GFX100S in Position, um die vor ihm liegende Bucht zu fotografieren. Wer Paul kennt, wundert sich vielleicht, scheint doch der glutrote Abendhimmel so gar nicht zum Metier des erfolgreichen Schwarzweiß-Fotografen zu passen. Doch Paul wird uns vom Gegenteil überzeugen. Er sieht hier vor allem eine wunderschöne, klar gegliederte Landschaft – das ideale Motiv für eine ausdrucksstarke Schwarzweiß-Fotografie.


  • FUJIFILM GFX100S und GF30mm F3.5 R WR, 60 Sek., F9, ISO 100

  • FUJIFILM GFX100S und GF30mm F3.5 R WR, 1/80 Sek., F5.6, ISO 100
  • „Das Bild habe ich direkt vor dem Bed and Breakfast aufgenommen, in dem ich mit meinem Vater übernachtete“, erzählt Paul. „Mein Vater ist wie ich ein begeisterter Fotograf und wir wollten in Wales zusammen fotografieren. Wir hatten einen großartigen Tag hinter uns. Ich war glücklich und zufrieden. Ehrlich gesagt, interessiert mich die Goldene Stunde nicht wirklich. Natürlich ist das Licht dann wunderschön warm und sanft, aber als Schwarzweiß-Fotograf kann ich auch zu anderen Tageszeiten gutes Licht finden. Ich nahm die Kamera also mehr aus einer Laune heraus zur Hand. Ich wollte diese besondere Abendstimmung im Bild festhalten und hatte das Gefühl, dass die Form der Bucht und das glitzernde Wasser ein lohnendes Motiv sein könnten. Die ganze Szene wirkte beruhigend und erfüllend.”

    Alle Bilder von Paul sind quadratisch und sorgfältig komponiert. Die Arbeiten zeugen vom scharfen Blick eines erfahrenen Fotografen. Seine Herangehensweise vermittelt Paul, der früher als Pressefotograf arbeitete, heute in Workshops an Interessierte. Dabei geht es weniger um das „Wie“ als vielmehr um das „Warum“. Wichtig sei vor allem Achtsamkeit, um im jeweiligen Moment präsent zu sein, erklärt Paul. „Konzentriere deine Aufmerksamkeit ohne zu urteilen. Das wird dir dabei helfen, ein Motiv oder eine Szene neu zu sehen und vor dem inneren Auge in Schwarzweiß zu visualisieren.“

  • „In der Schwarzweiß-Fotografie geht es um Einfachheit und Weglassen“, erklärt Paul. „Wenn ich ein Motiv gefunden habe, will ich es nicht in einem völlig überladenen Bild zeigen. Ich mag keine Unordnung. Und Farbe birgt immer die Gefahr, ein Bild unordentlich aussehen zu lassen. Sie schreit den Betrachter regelrecht an und lenkt vom Wesentlichen ab. Wenn du die Farben hingegen rausnimmst, kommen Stimmungen und Gefühle zum Vorschein. Jetzt geht es allein um Formen und Strukturen sowie die unterschiedlichen Tonwertabstufungen zwischen Hell und Dunkel.“

    Wenn Weglassen in der Schwarzweiß-Fotografie eine Tugend ist, sind dann Bilder, die weniger Informationen enthalten, automatisch wirkungsvoller? „Ja, auf jeden Fall. In puncto Bildaussage ist weniger mehr“, bekräftigt Paul. „Wenn du mit deiner Aufnahme eine bestimmte Wirkung erreichen willst, kann Farbe dir im Weg stehen, da sie von der beabsichtigten Botschaft ablenkt. Bei der Bildkomposition verhält es sich genauso. Je einfacher der Bildaufbau, desto stärker wird die Aufmerksamkeit des Betrachters gefesselt. Gute Schwarzweiß-Fotografie sollte daher immer so einfach wie möglich sein.“


  • FUJIFILM GFX100S und GF110mm F2 R LM WR, 1/10 Sek., F4, ISO 100

  • FUJIFILM GFX100S und GF110mm F2 R LM WR, 1/320 Sek., F6.4, ISO 2000
  • Trotzdem spielen Farben auch bei der Schwarzweiß-Fotografie eine zentrale Rolle. „Da jeder Farbton für einen Grauwert steht, musst du als Fotografin oder Fotograf natürlich darauf achten, wie die Farben einer Szene in Schwarzweiß wiedergegeben werden“, gibt Paul zu bedenken. Ein gutes Beispiel, um die Wirkung von Farbe in der Schwarzweiß-Fotografie zu illustrieren, ist Pauls Aufnahme eines Farnblatts. „Die unterschiedliche Farbschattierung der beiden Blätter ist hier entscheidend. Die gelben Blätter heben sich stärker vom Hintergrund ab als die grünen, auch wenn du die Farben komplett herausnimmst. Dieser Effekt ist allerdings von Farbe zu Farbe unterschiedlich. Zum Beispiel werden ein helles Rot und ein helles Grün fast im gleichen Grauton wiedergegeben.“

    Die Kameras des GFX Systems und der X Serie verfügen über eine Funktion, die Paul das Vorhersehen des Schwarzweiß-Bilds vereinfacht. „Ich fotografiere meist mit der Filmsimulation ACROS und simuliertem Rotfilter. So wird das Motiv bereits in der Vorschau auf dem Monitor in etwa so dargestellt, wie ich es später zeigen möchte. Das Bild nehme ich dann im RAW+JPEG-Modus auf, wobei ich die Rohdaten nur dann verwende, wenn ich die Aufnahme später gezielt weiterbearbeiten möchte.“


  • FUJIFILM GFX100S und GF110mm F2 R LM WR, 1/60 Sek., F3.6, ISO 1000

  • FUJIFILM GFX100S und GF110mm F2 R LM WR, 1/100 Sek., F11, ISO 100
  • Pauls Vorliebe für die spiegellosen Kameras von FUJIFILM hat viel mit dem elektronischen Sucher zu tun. „Es ist wichtig, dass du sehen kannst, wie die Kamera das Bild mit den gewählten Einstellungen aufnimmt. Das gilt sowohl für die Belichtung als auch für die Tatsache, dass du schwarzweiß fotografierst“, erklärt er. „Ich arbeite stets im manuellen Modus, und bei der Aufnahme der walisischen Küstenlandschaft konnte ich dank der Vorschau so knapp belichten, dass der Kontrast zwischen Land und Wasser betont wurde. Die Szene wirkt auch deswegen so aufgeräumt, weil unnötige und ablenkende Details in den dunklen Bildpartien verschwinden.“

    Wesentlich für eine gelungene Schwarzweiß-Aufnahme ist laut Paul vor allem die Wiedergabe von Texturen. „Hier die richtige Balance zu treffen, ist sicherlich die größte Herausforderung und weitaus schwieriger, als Formen und Linien optimal im Bild zu arrangieren“, sagt er. „Durch die Abwesenheit von Farbe treten Texturen stärker hervor, sodass ich stets auf die Einstellung der ,Klarheit‘ achte und diese dann lieber etwas abschwäche als sie zu stark einzusetzen.“ Die Aufnahme der Blume ist ein gutes Beispiel dafür. Die Zartheit und Natürlichkeit der Pflanze ist unschwer zu erkennen. Sie wirkt weder unnatürlichen hart noch spröde, wie es bei der Überlagerung mit zu viel „Klarheit“ oder anderen Bildeffekten schnell passieren kann.


  • FUJIFILM GFX100S und GF110mm F2 R LM WR, 1/400 Sek., F4.5, ISO 100

  • FUJIFILM GFX100S und GF45mm F2.8 R WR, 1/25 Sek., F18, ISO 100
  • „Das ist sicherlich ein Grund, weshalb sich viele Fotografen mit der monochromen Fotografie etwas schwertun. Sie sehen im Schwarzweiß-Modus eher eine Möglichkeit, über Aufnahmefehler hinwegzutäuschen, als die Chance, ein Motiv aufzuwerten und zu veredeln“, sagt Paul. „Ich finde, in der Nachbearbeitung sollte die Originalversion nur etwas poliert, nicht aber repariert werden. Und damit bin ich bei dem Punkt, der mir in Sachen Fotografie am wichtigsten ist: Absicht und Haltung.“

    Im Grunde ist die Motivation des Fotografierenden das A und O. „Die Schlüssel zu guten Schwarzweiß-Bildern sind diese zwei Fragen: Warum will ich etwas fotografieren? Und warum will ich in Schwarzweiß fotografieren?“, so Paul. „Wenn du beide Fragen beantworten kannst, wird dir ein bedeutungsvolles Bild gelingen. Auch auf der technischen Seite wird vieles leichter, denn das, worüber sich die meisten Leute den Kopf zerbrechen, ist plötzlich zweitrangig. Dein Fokus sollte sich daher voll auf das ,Warum‘ richten.“

  • So ist es auch kein Zufall, dass Pauls Bilder allesamt quadratisch sind. „Ich habe dieses Format für mich entdeckt, als ich noch mit einer Kamera der X Serie fotografierte. Und ich halte daran bis heute fest. Ich glaube einfach, dass deine Bilder besser werden, wenn du dich im Vorfeld auf ein Aufnahmeformat festlegst. Ich habe mich für das Quadrat entschieden, weil mir das Seitenverhältnis 1:1 mit seiner Einfachheit und Klarheit die gewünschten Ergebnisse liefert. Und es gibt meiner Arbeit einen konzeptionellen Rahmen.“

    Paul ist beim Fotografieren nicht nur auf Achtsamkeit bedacht, sondern bringt auch viel Geduld mit. „Wenn ich bei einer Tour ein halbes Dutzend Aufnahmen mache, empfinde ich mich selbst fast schon als schießwütig“, sagt er lachend. „Für mich ist beim Fotografieren wichtig, an einem Ort wirklich präsent zu sein. Für ein Bild wie das der Welle, die im Meer vor der bekannten Landspitze Beachy Head bricht, brauchte es geduldiges Beobachten. Ich hatte bemerkt, wie ruhig das Wasser an diesem Tag war, und wartete, bis eine einzelne Welle für Bewegung im Bild sorgte.“


  • FUJIFILM GFX100S und GF110mm F2 R LM WR, 1/60 Sek., F9, ISO 100

  • FUJIFILM GFX100S und GF110mm F2 R LM WR, 5 Sek., F13, ISO 100
  • Mehr Achtsamkeit, weniger Technik – diese Art der Fotografie passt für Paul hervorragend zum Konzept der Fujifilm Kameras. Seine Erfahrungen mit der X Serie und jetzt dem GFX System haben seine Passion für die Fotografie neu belebt. „Bevor ich zur FUJIFILM X-Pro 1 wechselte, besaß ich eine Vollformat-DSLR, mit der ich allerdings kaum noch fotografierte, da die Ausrüstung schwer und wenig handlich war“, erzählt er. „Mit der X Serie hat mir das Fotografieren dann wieder Spaß gemacht, was nicht nur am geringen Gewicht, sondern eben auch am elektronischen Sucher lag. Es ist fast so, als ob die Kamera gar nicht da wäre. Und so sollte es ja auch sein, denn bei der Fotografie geht es schließlich nicht um die Kamera, sondern vielmehr um die besondere Verbindung zwischen Fotografin oder Fotograf und dem Motiv.“

    Diese Verbindung lässt sich laut Paul unabhängig vom Motiv an jedem Ort der Welt finden – sei es in der dramatischen Kulisse der walisischen Küstenlandschaft oder im Unterholz seines eigenen Gartens. „Das Sehen bereitet Freude, und genau dabei unterstützt mich diese Kamera. Ich freue mich, wenn ich die Schönheit eines Objekts oder einer Szene entdecken und im Bild festhalten kann.“

  • Für Paul ist es fast so, als ob man einem sechsjährigen Kind eine Kamera in die Hand drückt: Es wird absolut fasziniert davon sein, dass es ein Objekt fotografieren und dann auf einem Bildschirm betrachten kann. „Als Erwachsene haben wir diese Unbedarftheit in unserer Ausdrucksweise verloren und streben fortwährend nach Perfektion. Versetzt du dich hingegen zurück in das Kind, kannst du die Faszination, die aus der Verbindung zwischen dem Fotografierenden und dem Motiv entsteht, wieder spüren. Wir sind letztlich nichts anderes als Entdeckerinnen und Entdecker. Es ist unsere Aufgabe, all die kleinen Juwelen in unserer Umgebung aufzuspüren – und das gelingt nur, wenn wir achtsam sind.“