05.12.2018

Ein Einblick in die Wildtierfotografie

Von Chris Weston

Einer der lohnenswertesten Aspekte meiner Arbeit als Naturfotograf besteht darin, eine emotionale Verbindung zur Tierwelt herzustellen, auf die ich während meiner Arbeit treffe. Dabei ist eine der größten Herausforderungen, diese Verbindung dem Betrachter im Foto zu übermitteln. Die richtige Perspektive ist dabei ein wichtiges kompositionelles Mittel. In der Natur- und Wildtierfotografie suche ich zunächst nach dem richtigen Standort – dort wo ich stehe oder üblicherweise auch sitze oder liege. Ich positioniere die Kamera so, dass die visuellen Elemente – Hauptmotiv, Vorder- und Hintergrunddetails – eine stimmige Komposition bilden.

Wenn bei dem Foto das Tier oder sein Verhalten im Vordergrund stehen soll, gehe ich näher an das Motiv heran, um es optisch hervorzuheben. Liegt der Fokus jedoch auf dem Tier innerhalb seines Lebensraumes, halte ich mehr Abstand, um eine ausgewogene Bildkomposition zu erhalten.

Häufig bewege ich mich leicht nach links oder rechts und verändere damit den Bildausschnitt, um bspw. ein ablenkendes Objekt aus dem Bild zu entfernen oder um eine optische Trennung zwischen sich überlappenden Objekten zu erreichen.

Einer der wichtigsten Punkte in der Natur- und Wildtierfotografie ist für mich die die Festlegung der Kamerahöhe, denn mit dieser kann der Fotograf den späteren Betrachter auf zwei Arten beeinflussen. Besonders die Platzierung des Horizonts (sichtbar oder suggeriert) ist ein wichtiges Werkzeug in der Bildgestaltung und bestimmt wie der Betrachter das Bild wahrnimmt (Drittelregel). Bei einem niedrig platzierten Horizont ist der Betrachter gezwungen nach oben zu schauen. Die Betonung liegt auf einem schönen Himmel oder Sonnenuntergang. Ich nutze die Positionierung des Horizonts im unteren Drittel, wenn ich Tiere in ihrer Umgebung fotografiere und dabei ein spektakulärer Himmel im Hintergrund zu sehen ist. Sieht der Himmel eintönig aus, oder soll störender Hintergrund verdeckt werden, positioniere ich den Horizont im oberen Drittel und fotografiere von einem höheren Standpunkt aus. So zwinge ich den Betrachter, von oben nach unten zu schauen.

Die gewählte Kamerahöhe bestimmt nicht nur den Wahrnehmungsraum des Betrachters, sondern wirkt sich auch psychologisch auf ihn aus. Dies entspricht einer psychoanalytischen Theorie, welche als Erwachsenen-Kind-Beziehung bezeichnet wird. In der Erwachsenen-Kind-Beziehung sind Erwachsene gegenüber Kindern allein schon wegen der Körpergröße der dominierende Part und schauen von oben auf die Kinder herab. Sind Erwachsene oder Kinder unter ihresgleichen, dann sind beide Parteien auf Augenhöhe und die Beziehung ist gleichberechtigt.

In der Fotografie lässt sich diese Theorie auf den Betrachter und das Hauptmotiv anwenden. Bei einer niedrigen Kameraposition kann das abgelichtete Motiv auf den Betrachter imposant, dominant und mächtig wirken. Wechselt die Kameraposition von niedrig zu hoch, übernimmt der Zuschauer die dominante Rolle, wodurch das Motiv passiver und sanfter wirkt. Daher fotografiere ich sehr selten Wildtiere aus hoher Kameraposition.

Ich bevorzuge das Fotografieren auf Augenhöhe, wodurch die Beziehung zwischen Motiv und Betrachter ausgeglichen ist. Für die Wildtierfotografie ist dies der interessanteste Winkel, da er mir dabei hilft, die zwischen dem Tier und mir hergestellte Verbindung, in das tatsächliche Bild zu übertragen und dem Betrachter zu übermitteln.

Sobald ich meinen Standort festgelegt habe, konzentriere ich mich auf das Objektiv. Obwohl ich ein Wildtierfotograf bin, bin ich ein großer Fan von kürzeren Brennweiten. Mein Lieblingsobjektiv für die Wildtierfotografie ist ein 50mm äquivalentes Standardobjektiv. Daher nutze ich häufig das XF35mmF1.4 in Verbindung mit meiner FUJIFILM X-T2 oder X-H1, oder das GF63mmF2.8 in Kombination mit meiner FUJIFILM GFX 50S.

Die Standardbrennweite sagt mir besonders zu, da sie am ehesten unseren eigenen Blickwinkel wieder gibt. Einfach ausgedrückt: Die Kamera sieht das, was wir sehen. Eines meiner Hauptziele besteht darin, eine visuelle Verbindung zwischen Mensch und Tier herzustellen, indem ich das Motiv so aufnehme, als wäre der Betrachter mitten drin. Auf diese Weise beziehe ich ihn in die Aufnahmesituation mit ein und lasse ihn nicht als passiven Beobachter außen vor.

Oftmals ist es jedoch unmöglich, nah genug an das Motiv heran zu kommen, um ein derart kurzes Objektiv zu verwenden. Daher nutze ich häufig auch das mittlere Telezoom XF50-140mmF2.8. Mit dem Teleobjektiv kann ich dem Motiv nicht nur visuell näher kommen, sondern es auch vor dem Hintergrund mehr hervorheben. Nur wenn das Tier sehr weit entfernt ist, wechsle ich zum Tele-Objektiv XF100-400mmF4.5-5.6.

In der Realität sehen wir die Welt aus einer bestimmten Perspektive. In der Fotografie zeigen wir mithilfe der Perspektive die Welt, die wir sehen. Dabei sind die Wahl des Standorts, der Kamerahöhe und des Objektivs eng miteinander verknüpft.